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Digitalisierung Industrie 4.0 : Supply Chain Data Management: Informationsfluss ganzheitlich betrachten

Je mehr Komponenten in der Produktion beteiligt sind, desto komplexer das Lieferkettenmanagement (Supply Chain Management). Unternehmen müssen dabei zunehmend auch die Datensicherheit im Blick behalten - und womöglich sogar aktiv werden.

Daten heben, erschließen und fördern: In einer global vernetzten Wirtschaft mit vielfältig verflochtenen Lieferketten nimmt die Bedeutung eines verlässlichen Datenmanagements, das die Wertschöpfungsketten ganzheitlich betrachtet, kontinuierlich zu. Neben vorausschauender Datenanalyse sollten Unternehmen beim Supply Chain Data Management vor allem auch auf Datensicherheit und Nachhaltigkeit achten.

Informations- bzw. Datenmanagement ist ein Bestandteil des Lieferkettenmanagements (Supply Chain Management), dessen Bedeutung in den vergangenen Jahren stetig zugenommen hat. Im Wesentlichen geht es darum, den Informationsfluss entlang der gesamten Lieferkette – also über Unternehmens- und gegebenenfalls Landesgrenzen hinaus – zu verwalten und zu steuern. Hierfür müssen Hersteller Daten mit Lieferanten und Kunden austauschen und verarbeiten. Das Ziel ist die weitere Verbesserung von Prozessen ebenso wie das Vermeiden von Produktionsstillstand durch Lieferengpässe. 

Vor allem drei Aspekte rücken hierbei zunehmend in den Fokus: 

  1. die prädikative Datenanalyse (Advanced Analytics & AI),
  2. Datensicherheit sowie
  3. Nachhaltigkeit

Advanced Analytics & AI

Durch Ereignisse wie die Corona-Pandemie, den blockierten Suezkanal oder den Ukraine-Krieg ist einmal mehr deutlich geworden, dass Datengewinnung nicht als ein (einmaliges) Ereignis verstanden werden darf. Vielmehr erfordert die Informationsbeschaffung und -verarbeitung einen kontinuierlichen Prozess, der an die dynamischen Umweltbedingungen anzupassen ist und der die Daten selbst ebenso wie die Datenquellen betrifft. 

Ausgehend von dieser Erkenntnis werden die Grenzen der bislang hierfür eingesetzten, beschreibenden Post-mortem-Analyse deutlich. So wird diese erst rückblickend – also nach Ende des zu analysierenden Ereignisses durchgeführt und Rückschlüsse erst in zukünftigen Planungen berücksichtigt. Um rechtzeitig auf Störungen in der Lieferkette reagieren zu können, reicht dieser “Blick in den Rückspiegel” nicht aus. Stattdessen bedarf es einer ergänzenden, vorausschauenden Datenanalyse unter Nutzung von KI-Methoden (Advanced Analytics & AI). Indem das System Zustände der Lieferkette oder des Produktionssystems in seiner Gesamtheit vorhersagt, mögliche Störungen simuliert und passende Gegenmaßnahmen vorausschauend ableitet, wird die Reaktionsfähigkeit ebenso wie die Resilienz der Wertschöpfungskette maßgeblich erhöht. 

Datensicherheit

Gegenüber herkömmlichen Anwendungen zum Datenaustausch über Unternehmensgrenzen hinweg muss auch die Datenhaltung im Kontext von Supply Chain Data Management eine übergeordnete Rolle spielen. Dabei geht es einerseits um Sicherheitsfragen und andererseits um die kontextsensitive Steuerung des Datenzugriffs. Die Aufgabestellungen, die sich hiermit ergeben, sind vielschichtig. Zum Beispiel müssen Daten bzw. Informationen in Abhängigkeit von Geschäftspartnern oder Auftragssituationen bereitgestellt werden, wobei Authentifizierung und Autorisierung der Zugriffe den gestiegenen Sicherheitsanforderungen genügen muss. 

Die Digitalisierung des gesamten Lebenszyklus eines Produktes, vom Engineering über die Produktion in Lieferketten bis hin zur Entsorgung, verlangen gleichzeitig nach effizienten und vor allem sicheren Mechanismen für den Datenaustausch. Die Initiativen und bereits existierenden Grundlagen rund um den digitalen Produktpass (DPP) sind ein wichtiger Treiber der Digitalisierung in Lieferketten.

Fest steht: Unternehmen sind gefordert, die Datensicherheit – Safety und Security – auf ein neues Niveau zu heben. So müssen Daten jeglicher Art vor Manipulation, Diebstahl oder unberechtigtem Zugriff (DLP – Data Loss Prevention) umfassend geschützt sein.  Als Ort der Speicherung und Verarbeitung unternehmenskritischer und potentiell unternehmensübergreifender Daten einer Lieferkette eignen sich vor allem Data Lakes. Dort lassen sich große Mengen verschiedenster Informationen aus unterschiedlichen Quellen zusammenführen. 

Zur Sicherung dieser besonders schützenswerten Datenräume steht eine Auswahl an Methoden zur Verfügung, u. a. die Verschlüsselung der Daten und Kommunikationskanäle, Identitäts- und Zugriffsmanagement (IAM), Zero-Trust-Modelle oder auch hardwarebasierte Methoden. Nicht zu unterschätzen ist zudem die notwendige Sensibilisierung für sicherheitsrelevante Themen – vor allem jener Anwender, die mit kritischen Unternehmens- oder personenbezogenen Daten umgehen. 

Methoden

  • Verschlüsselung von Daten und Kommunikationskanälen
  • Identitäts- und Zugriffsmanagement (IAM)
  • Zero-Trust-Modelle
  • Hardwarebasierte Sicherung
  • Sensibilisierung von Anwenderinnen und Anwendern

Nicht zuletzt gelten EU-weit Vorschriften zur Netzwerk- und Informationssicherheit (NIS). Diese werden vor dem Hintergrund der notwendigen Steigerung der Cyber-Resilienz der EU-Mitgliedsstaaten ab Oktober 2024 noch einmal verschärft (NIS-2). Sie verpflichtet die Mitgliedsstaaten zur Entwicklung und Umsetzung einer umfangreicher Cybersicherheitsstrategie. Diese Direktiven werden auch das Supply Chain Data Management für den unternehmensübergreifenden Informationsaustausch beeinflussen und einmal mehr in den Fokus rücken. 

Nachhaltigkeit

Ein wertvoller Nutzungsaspekt geteilter Daten ist nicht zuletzt das Nachhaltigkeitsmanagement bzw. die Chance, Treibhausgasemissionen entlang der Wertschöpfungskette zu identifizieren und in der Folge zu reduzieren. Relevant sind neben dem Product Carbon Footprint (PCF) und dem Corporate Carbon Footprint (CCF) vor allem die Scope-3-Emissionen. Während PCF die Treibhausgasemissionen eines Produkts über dessen gesamten Lebenszyklus misst und CCF die Gesamtemissionen eines Unternehmens, erfassen die Scope-3-Emissionen die indirekten Emissionen in der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette (z. B. durch den Einkauf von Gütern, von Transporten, durch Produktionsabfälle, durch Transport und Vertrieb von Produktionen, Demontage und Entsorgung etc.).

Letztere gilt als entscheidender Baustein für eine erfolgreiche Klimastrategie. Anders als die direkten (Scope 1) und indirekten Energie-Emissionen (Scope 2) sind sie für viele Unternehmen eine große Unbekannte bzw. ihre Erschließung besonders herausfordernd. Zudem sind Unternehmen für eine erfolgreiche Nachhaltigkeitsstrategie auf Vorhersagen angewiesen, die nur durch das Zusammenspiel von vergangenen und aktuellen Informationen getroffen werden können. Sie benötigen also Informationen entlang der gesamten Wertschöpfungskette sowohl aus der Vergangenheit als auch aus der Gegenwart. ("Prognosen sind schwierig, insbesondere wenn sie die Zukunft betreffen."  - George Bernard Shaw). 

Fazit

Die Bedeutung von Supply Chain Data Management – nicht zuletzt im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsaspekten und der Digitalisierung der Lieferketten (aus welchen Gründen auch immer) – wird weiter zunehmen: Je mehr Daten der Wertschöpfungskette einem Unternehmen bekannt sind, desto größer wird sein Handlungsspielraum, in herausfordernden Situationen angemessen und rechtzeitig zu reagieren. Hierfür müssen die Daten gut geschützt sein – auf dem Kommunikationsweg, am Speicherort und durch klare Zugriffsregeln. Die Bereitstellung von Informationen in einem digitalen Produktpass und die ggf. kontinuierliche Anreicherung des DPP während der Nutzungsphase wird nur durch konsequente Nutzung von IoT/IIoT-Techniken  möglich sein. 

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Karl Tröger Business Development Manager, PSI Software SE

Seit mehr als 20 Jahren ist Karl Tröger bei der PSI Software SE beschäftigt. In dieser Zeit hat er sich mit allen Aspekten von ERP-Software befasst und war in führenden Positionen in Entwicklung, Beratung und Marketing tätig. Heute versteht er sich als Bindeglied zwischen Kunden, Markt, Wissenschaft sowie Software-Entwicklung und Marketing. Der Diplom-Ingenieur der Elektronik und Nachrichtentechnik ist an der von der Bundesregierung initiierten Plattform Industrie 4.0 beteiligt und veröffentlicht regelmäßig vielbeachtete Publikationen über die Zukunft von fertigungsnaher Software.

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