Das Umfeld für Maschinen- und Anlagenbauunternehmen, die aus Europa heraus Kunden beliefern, ist und bleibt herausfordernd. Immer öfter geraten Produktionsnetzwerke durch hohe Kosten und Einkaufspreise unter Druck. Diese Entwicklungen gehen fast immer zulasten von Investitionen, zumal auch Finanzierungen in dieser Situation teuer und riskant sind. Hinzu kommen Herausforderungen wie Fachkräftemangel, Klimaschutzaspekte und wirtschaftliche Entkopplung von Volkswirtschaften oder ganzer Wirtschaftsblöcke. Hierzu zählt die Abschottung des Westens von China und Russland ebenso wie der zu erwartende, weiter erstarkende Protektionismus in den USA.
Insbesondere geopolitische Verwerfungen setzen Unternehmen zunehmend unter Druck und zwingen sie (weitere) Produktionsstandorte vor Ort aufzubauen. Die internationale Studie “Boosting Resilience with Production as a Service” aus dem Jahr 2022 zeigt z. B., dass weltweit 43 Prozent der Industrieunternehmen regionaler produzieren wollen, um ihre Lieferkette resilient(er) zu machen. In Deutschland könnten sich 60 Prozent der Befragten vorstellen, bestehende Anlagen innerhalb ihrer Unternehmensgruppe oder extern zu teilen. Der Studie zufolge liegt das Potenzial in Deutschland bei rund 80 Milliarden US-Dollar.
Production-as-a-Servie (kurz: PaaS) ist also im Kommen, auch in Deutschland.
Höhere Flexibilität für KMU mithilfe von PaaS
Prinzipiell ist die Nutzung von Produktionsmitteln, die nicht dem Unternehmen gehören, bekannt. Vor allem Modelle wie Equipment-as-a-Service oder Leasing sind weit verbreitete und bewährte Konzepte. Auch im Bereich der Informationstechnologie liegen Service-Modelle immer mehr Trend. So steigt der Anteil von Cloud- und Software-as-a-Service- gegenüber On-Premise-Modellen seit Jahren auch in der industriellen Anwendung.
PaaS bezeichnet folglich ein Konzept, in dem digitale Technologien und ein Netzwerk von Fertigungsdienstleistern genutzt wird, um skalierbare, kostengünstige und effiziente Produktionslösungen anzubieten.
PSI-Software und PaaS
Die Nutzung von KI bei der Planung oder Reihenfolgebildung in Verbindung mit dem Multisite-ERP PSIpenta/ERP unterstützt die möglichst optimale Abarbeitung des Auftrags-Mix.
PSIglobal unterstützt dabei, eine effiziente, serviceoptimierte, resiliente und nachhaltige Supply Chain aufzubauen und aufrechtzuerhalten.
Diese Definition macht PaaS für Unternehmen gleich aus zwei Blickwinkeln interessant: als Nutzer fremder Produktionsmittel oder als Serviceanbieter eigener, nicht ausgelasteter Ressourcen.
Folgende Chancen, Risiken und Grenzen können sich mit dem Service-Modell ergeben:
Chancen
Kostenreduktion und Flexibilität
- Unternehmen müssen nicht in teure Maschinen oder Produktionsanlagen investieren, wodurch finanzielle Risiken erheblich minimiert werden.
- Indem die Nutzung der Produktionslinien und Eigentum entkoppelt werden, verlagern sich Ausgaben beim Nutzer von hohen Fixkosten hin zu variablen Betriebskosten.
- Da sich Produktionskapazitäten anpassen lassen, ohne selbst langfristige Investitionen tätigen zu müssen, profitieren gerade KMU von einer deutlich höheren Flexibilität und einem verbesserten Marktzutritt.
Neue Geschäftsmodelle und Kundengruppen
- Stellen Unternehmen eigene Produktionskapazitäten als Service bereit, können sie neue Einnahmequellen erschließen und neue Kundengruppen adressieren.
- Während Nutzer von geteilten Produktionsressourcen profitieren, entsteht für Investoren eine neue Anlageklasse, in die sie investieren können.
Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz
- Der Zugang zu hochmodernen Produktionsanlagen fördert den effizienten Einsatz von Ressourcen.
- Durch den unterstützenden Einsatz von Technologien wie z. B. digitale Zwillinge und künstliche Intelligenz lassen sich Produktionsprozesse im Umfeld von PaaS organisieren und optimieren, wodurch CO2-Emissionen signifikant reduziert werden.
- Da PaaS ganze Lieferketten betrifft, nähert es sich nicht nur einem lokalen Optimum, sondern unterstützt und optimiert einen ganzen Produktionsverbund bei der Umsetzung verschiedenster Nachhaltigkeitsziele.
- Die Regionalisierung der Betriebe fördert außerdem ihre Nachhaltigkeit, da reduzierte Transportemissionen die Einhaltung sozialer und ethischer Standards erleichtern können.
Risiken
Hohe Anfangsinvestitionen
- Trotz der langfristigen Vorteile erfordert auch PaaS oft hohe anfängliche Investitionen in digitale Technologien und die notwendige Infrastruktur.
Abhängigkeit und Kontrollverlust
- Durch die gemeinsame Nutzung von Produktionskapazitäten geben Unternehmen teilweise die Kontrolle über ihre Produktionsprozesse ab. Dies könnte sich negativ auf die strategische Unabhängigkeit auswirken.
Sicherheitsrisiken und Datenintegration
- Da viele PaaS-Modelle auf digitaler Infrastruktur basieren, steigen die Anforderungen zur Abwehr von Cyberangriffen. Außerdem muss die Integration der Systeme zwischen verschiedenen Nutzern und Anbietern reibungslos funktionieren, was zusätzliche Komplexität schafft.
Grenzen
Eingeschränkte Skalierbarkeit
- Für Branchen, in denen die Produktionsanforderungen stark variieren, ist PaaS aufgrund der eingeschränkten Skalierbarkeit kaum geeignet.
Rechtliche Hürden
- Wettbewerbsrechtliche Aspekte können dem Transfer von Wissen über die Produkte oder Fertigungstechnologien entgegenstehen. So kann es sich um urheberrechtlich geschützte Produkte, Patente oder anderes schützenswertes Wissen handeln. In dem Zusammenhang ist auch der Kopierschutz materieller (Maschinen, Werkzeuge) oder immaterieller Produkte (Software, Designs) zu sehen. Der VDMA unterstützt seit langem Arbeitsgruppen (z. B. Ersatzteilwesen) zu dem Thema.
Sensible Produktion
- Hochgradig vertrauliche Produktionsprozesse lassen sich über PaaS nicht abbilden.
Technologischer Fortschritt ebnet PaaS den Weg
Production-as-a-Service bietet in Deutschland bedeutende Chancen zur Optimierung und Stärkung von Lieferketten ebenso wie zur Förderung von Nachhaltigkeit. Voraussetzung für ein praktikable Nutzung sind technologische Entwicklungen, mit deren Hilfe sich die komplexen Geschäftsmodelle transparent und rechtssicher abwickeln lassen.