Ein vielversprechender Ansatz ist die Entwicklung von intelligenten Leitsystemen, die Betriebsführung und Steuerung der Bahnstromnetze effizient miteinander verknüpfen. Bahnfahren schützt das Klima. Auch aus diesem Grund soll der ÖPNV weiter ausgebaut werden. Bislang wurde in den entworfenen Ausbauszenarien vor allem die Kapazität der Schiene berücksichtigt. Die Konzepte basieren daher vornehmlich auf der Annahme, dass das Fehlen von Trassen der limitierende Faktor ist.
Energieeffiziente Geschwindigkeitsprofile
Sollen mehr Züge auf die Schiene, braucht es eine engere Taktung. Industrie, Forschung und Verkehrsunternehmen wissen jedoch längst, dass es einen weiteren Einflussfaktor gibt, ohne den der Ausbau nicht möglich ist: Energie. Der Schienenverkehr zählt seit jeher zu den größten Stromverbrauchern in Deutschland: Pro Jahr benötigt die Branche etwa elf Milliarden Kilowattstunden.
Stromverbrauch des Schienenverkehrs pro Jahr in Deutschland
Energiesparkonzepte gibt es daher schon seit vielen Jahren – für besseren Klimaschutz und aus Kostengründen. Sie basieren vor allem auf der Erkenntnis, dass sich der Energieverbrauch durch energieeffiziente Geschwindigkeitsprofile erheblich senken lässt.
Erste Entwicklungsstufe
Diese Konzepte betrachten ausschließlich Energiesparpotenziale eines einzelnen Fahrzeugs. Fahrer erhalten beispielsweise über Fahrassistenzsysteme Geschwindigkeitsempfehlungen, vor allem für das Anfahren und Bremsen. Dieser Ansatz ebenso wie die nachträglich eingeführten Anreizsysteme führten jedoch nicht zu den erhofften Ergebnissen. Zu selten und nicht konsequent genug setzen die Lokführer die Empfehlungen um.
Nächste Ausbaustufe
Sie betrachtet nicht mehr nur das einzelne, sondern mehrere Fahrzeuge sowie den weiteren Fahrweg, beispielsweise einen vorwegfahrenden, langsameren Zug oder ein rotes Signal. Außerdem übernimmt ein automatisches System, etwa ein Automatic-Train-Operation-System (ATO), die Fahrsteuerung zur Geschwindigkeitskontrolle sowie für das Anfahren und Bremsen.
So reguliert es beispielsweise die Beschleunigung eines Zuges und damit Phasen der Höchstgeschwindigkeit ebenso wie Phasen, in denen ein Fahrzeug mit leicht reduziertem Tempo über eine längere Strecke hinweg fährt. Zudem steuert es Ausrollphasen und nutzt ausgiebig Möglichkeiten aus, in denen Züge keine Energie verbrauchen. Dieses Leitsystem ermittelt das beste Energieprofil für die vorgegebenen Ankunft- und Abfahrzeiten aller Züge.
Vermeiden von Lastspitzen
Doch der für die aktuell geplanten, höheren Taktungen benötigte Strom lässt sich mittels dieser Lösungsansätze nicht einsparen. Insbesondere in den Lastspitzen genügt die Kapazität der vorhandenen elektrischen Netze nicht. Daran wird sich auch mittelfristig nichts ändern. Aktuell arbeiten Industrie, Forschung und Verkehrsunternehmen daher an Leitsystemen, welche die gesamte Betriebsführung mit der Steuerung der Bahnstromnetze verknüpfen. Im Zentrum steht unter anderem die benötigte Abfahrenergie.
Denn diese ist besonders hoch und damit auch besonders teuer. So haben Lastspitzen einen erheblichen Einfluss auf die Höhe des Strompreises, den die Unternehmen zahlen müssen. Aus diesem Grund werden unter anderem mathematische Formeln entwickelt, mit denen sich unter Berücksichtigung aller weiteren Einflussfaktoren die Anzahl gleichzeitiger Abfahrten
reduzieren lässt.
Synchronisation von An- und Abfahrten
Im Fokus steht zudem die Synchronisation von An- und Abfahrten, um die freiwerdende Energie beim Bremsvorgang eines in den Bahnhof einfahrenden Zuges unmittelbar für die Beschleunigung eines abfahrenden Zuges in das Stromnetz zurück speisen und nutzen zu können. Hierfür müssen die Züge exakt gleichzeitig bremsen und anfahren. Kombinieren Verkehrsunternehmen eine energieoptimierte Fahrweise der Züge, reduzieren auf das gesamte Netz bezogen gleichzeitige Abfahrten und takten ein- und ausfahrende Züge immer so, dass die Bremsenergie für die Anfahrtsenergie genutzt wird, könnten sie nicht nur ihre Angebote ausbauen, sondern gleichzeitig sogar Energiekosten sparen.
Aktuelle Forschungsprojekte und Ausblick
Auch aktuelle Forschungsprojekte lassen darauf schließen, dass Verkehrsunternehmen allein durch Anpassungen von Fahrplänen im Sekundenbereich – und damit nicht spürbar für die Fahrgäste – sowie durch den Einsatz von Fahrerassistenzsystemen für die Echtzeitsteuerung von Zügen erhebliche Energieaufwände und immense Kosten einsparen können. Hierfür bedarf es der Entwicklung von Algorithmen, auf deren Basis die Steuerungssysteme im Betriebsalltag auch auf Störungen schnell und verlässlich reagieren können. Fakt ist: Bisher erfolgt die Steuerung des Bahnstroms und die operative Betriebsführung in zwei getrennten Welten – und damit auch in eigenen Leitstellen.
Die Zukunft wird es aber erforderlich machen, dass die auch innerhalb des Verkehrsunternehmens organisatorisch eigenständigen Bereiche zusammenwachsen und durch das Verknüpfen vorhandener Daten und unter Nutzung von Künstlicher Intelligenz ein ganzheitliches System schaffen.
PSI plant vor diesem Hintergrund die Entwicklung eines intelligenten Leitsystems, welches die operative Betriebsführung und Steuerung der gesamten elektrischen Infrastruktur optimal aufeinander abstimmt und steuert. Für alle Teilbereiche – Systeme für den ÖPNV, zur Steuerung der Bahnstromnetze sowie Künstliche Intelligenz – kann PSI auf erprobte Lösungen zurückgreifen und wird hier zukünftig wertvolle Synergien für die Kunden schaffen.
Operativer Betrieb und Energieeffizienz im Einklang
Den Ausbau der ÖPNV-Angebote kann es nur mit intelligenten Systemen geben, welche die betrieblichen und energieseitigen Rahmenbedingungen ganzheitlich betrachten und steuern. Experten sind sich einig, dass es darauf ankommen wird, bei der Fahrplanerstellung die verbleibenden Freiheitsgrade für einen Ausgleich der Last im Bahnstromnetz zu nutzen und neben Energiesparkonzepten alle Aspekte des operativen Betriebs in Echtzeit mit einzubeziehen.