MRK Management Consultants

Digitalisierung : Automatisierungs­ansätze im ÖPNV-Depot

Wie können Betriebsabläufe, wie z. B. das Fahren zur Waschanlage, Werkstatt oder Ladesäule, durch Automatisierung im Fahrzeugdepot optimiert werden? Welche Ansätze werden derzeit erprobt und wie können diese in die Praxis umgesetzt werden?

Die Nachfrage nach nachhaltiger und bezahlbarer Mobilität wächst rasant. Diese kann langfristig nur durch einen effizienten und wirtschaftlichen Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) gewährleistet werden. Die Verkehrsunternehmen stehen dabei vor großen Herausforderungen: Zum einen müssen die Fahrzeugflotten zügig auf klimaneutrale Antriebsarten umgestellt werden, zum anderen sehen sich die Unternehmen einem steigenden Kostendruck und einem zunehmenden Fachkräftemangel ausgesetzt.

In diesem Zusammenhang rückt auch die Optimierung der Betriebsabläufe auf den Betriebshöfen in den Fokus. Ein unverzichtbarer Lösungsansatz ist dabei die (Teil-)Automatisierung bestimmter Betriebsabläufe, insbesondere von Aufgaben wie das Fahren zur Waschanlage, Werkstatt, Tankstelle bzw. Ladestation, das Abstellen der Busse am Ende der Schicht oder das Aufstellen in der Ausrückreihenfolge zu Schichtbeginn.

Depot-Automatisierung mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand

Genau hiermit beschäftigen sich die Partner des Forschungsprojekts Innovative Depot-Automatisierung (IDEA) MRK Management Consultants GmbH, PSI sowie die Technische Universität Dresden. Indem sich Fahrzeuge zukünftig fahrerlos und koordinierend zu den vom Depot Management vorgesehenen Orten bewegen können, wird der Aufwand der Fahrer für innerbetriebliche Fahrten reduziert, und es werden deutlich effektivere und zuverlässigere Betriebsabläufe erzielt.  

Projektleiter Andreas Küster erläutert, was IDEA von anderen Forschungsprojekten zu vollautonom fahrenden Fahrzeugen unterscheidet:

Meistens werden hier aufwendig ausgerüstete Fahrzeuge und teure Infrastruktur eingesetzt, weshalb einer zeitnahen und umfänglichen Umsetzung in der Praxis wirtschaftliche, rechtliche und technische Hürden entgegenstehen. Mit dem Projekt IDEA wollen wir zeigen, wie sich eine Depot-Automatisierung technisch innovativ und mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand bereits heute realisieren lässt.

Andreas Küster Geschäftsführer beim Projektkoordinator MRK Management Consultants GmbH

Insbesondere wird untersucht, wie sich innovative Datenübertragungs- und Ortungssysteme, basierend auf existierenden Technologien, wie zum Beispiel 5G, zu diesem Zweck einsetzen lassen.

IDEA – Innovative Depot-Automatisierung

Ziel: Automatisierung von Depots öffentlicher Verkehrsunternehmen mittels innovativer funkbasierter Kommunikation zwischen einzelnen autonom bewegten Fahrzeugen sowie einem Depot Management System über ein 5G-Campus-Netzwerk.

Projektpartner: MRK Management Consultants GmbH, PSI Transcom GmbH, Technische Universität Dresden; assoziiert: Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Information Technology for Public Transport (ITxPT).

Zum Forschungsprojekt: IDEA

Nachnutzung in kommerziellen Anwendungen

IDEA ist Teil des Programms zur Förderung innovativer Netztechnologien im Mobilfunk (InnoNT) und wird mit insgesamt 3 Mio. Euro durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) gefördert. Kern des Vorhabens ist die Erforschung, Erprobung und anschließende Validierung einer funkbasierten Kommunikation zwischen fahrerlos bewegten Fahrzeugen sowie einem Depot Management System (DMS) über ein innovatives 5G-Campus-Netzwerk. 

Prinzipiell sind die Voraussetzungen für eine zunehmende Automatisierung von Betriebshofprozessen durch DMS und moderne Fahrzeuge mit entsprechenden Komponenten bereits gegeben. Was bislang fehlt, ist eine geeignete Infrastruktur sowie standardisierte Schnittstellen, um die verschiedenen Teilsysteme effizient miteinander verknüpfen zu können. Eine interoperable Infrastruktur zu entwickeln, die eine wirtschaftliche Nachnutzung in kommerziellen Anwendungen sicherstellt, hat daher höchste Priorität. 

Herausfordernd beim automatisierten Bewegen der Fahrzeuge ist unter anderem die geforderte hohe Präzision bei der Positionierung sowohl In- und Outdoor, denn die Genauigkeit muss im Bereich weniger Zentimeter liegen. Hierfür sind robuste, zuverlässige und genaue Ortungssysteme erforderlich, die auch den Ansprüchen an eine Wirtschaftlichkeit genügen. Im Projekt soll ein 5G-Campusnetz sowohl zur niedriglatenten Datenübertragung und auch zur Indoor-Ortung verwendet werden. Derzeit eruieren die Forschungspartner, ob die Genauigkeit der Ortungsdienste aktuell verfügbarer 5G-Releases bereits den Anforderungen für die automatischen Fahrfunktionen entspricht. Gegebenenfalls werden übergangsweise weitere Sensor- beziehungsweise Ortungssysteme zur Verbesserung der Genauigkeit hinzugezogen.
 

Erweitertes DMS

Als Testumgebung diente eine Instanz des Depot Management Systems PSItraffic/DMS, welches im Projekt um Funktionen für die Steuerung und Überwachung von automatisierten Fahrmanövern und Versorgungsvorgängen erweitert wird. Da PSItraffic/DMS bereits über praxiserprobte Funktionen für das vollautomatische Fahrzeug-, Stellplatz- und Lademanagement verfügt, sind die grundlegenden Voraussetzungen für die Steuerung von automatisierten Fahrbewegungen und Versorgungsprozessen bereits gegeben.

In der derzeitigen Betriebspraxis übermittelt unser DMS die Fahranweisungen per Anzeiger oder auf mobilen Medien an das Fahr- oder Rangierpersonal. Es ist daher naheliegend, diese Anweisungen, sogenannte ‚Missionen‘, an ein System zur automatischen Fahrzeugsteuerung zu übergeben.

Michael Preusker Innovation Manager, PSI Transcom GmbH

Das Automated Fleet Control System (AFCS) setzt diese Missionen dann im Zusammenspiel mit den Onboard-Komponenten in Form von automatisierten Fahrmanövern der einzelnen Fahrzeuge um. Aktuell werden im Rahmen von IDEA die Schnittstellen zwischen PSItraffic/DMS und AFCS implementiert. Über sie wird das DMS die Missionen an das AFCS übergeben und die erforderlichen Informationen aus dem Ortungssystem empfangen. Um die Interoperabilität der Systeme zu gewährleisten, ist ein Standardisierungsprozess für die relevanten Schnittstellen eingeleitet worden. Hierbei steht PSI Transcom in engem Austausch mit dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) und der europäischen Standardisierungsvereinigung Information Technology for Public Transport (ITxPT).

Projektfortschritt

Parallel zur Integration der Schnittstellen laufen die Vorbereitungen für die Planung und Installation eines ortungsfähigen 5G-Campusnetzes auf einem privaten Gelände der MRK in Torgau. Zudem rüstet das Projektteam einen serienmäßigen 18-Meter-Hybrid-Gelenklinienbus mit den Steuerungskomponenten für automatisches Fahren aus. Ziel ist es, im Sinne eines Brownfield-Ansatzes zu erforschen, unter welchen Voraussetzungen sich eine Nachrüstung von Bestandsfahrzeugen und -infrastruktur lohnt. Darüber hinaus steht aus dem Projekt ABSOLUT ein bereits automatisiert fahrender Minibus zur Verfügung. Mit den beiden Fahrzeugen sollen die wesentlichen Anwendungsfälle zur Betriebshofautomatisierung getestet und evaluiert werden. In einem weiteren Schritt des Projekts wird auf Basis aller Forschungsergebnisse eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung durchgeführt.

PSI geht gemeinsam mit den anderen Projektbeteiligten davon aus, dass die Funktionsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit der getesteten Lösungen nachgewiesen werden kann: 

Wir sind dann in der Lage, ÖPNV-Unternehmen eine Richtschnur an die Hand zu geben, wie sie ihre Fahrzeugdepots kurz- bis mittelfristig automatisieren können. Gleichzeitig wollen wir durch die Standardisierung der Schnittstellen und Systemarchitektur die Fahrzeuglieferanten und ÖPNV-Softwarehersteller dazu ermuntern, ihre Produkte bereits frühzeitig und nachhaltig für eine zukünftige Depotautomatisierung weiterzuentwickeln.

Torsten Vogel Geschäftsführer der PSI Transcom GmbH

Branchenbeobachter wissen, dass hierfür ein guter Zeitpunkt ist. Denn viele Verkehrsunternehmen planen – vor allem im Zuge der Umstellung der Flotten und Infrastruktur auf emissionsfreie Antriebe - kurz- oder mittelfristig den Neu- beziehungsweise Umbau von Betriebshöfen. 

In diesem Zuge werden in den allermeisten Fällen auch die Belange der Betriebshofautomatisierung berücksichtigt. Die Unternehmen sollen dazu bewegt werden, bei der Neubeschaffung von Fahrzeugen von Anfang an darauf zu achten, dass diese bereits über die notwendigen Komponenten und Schnittstellen zum automatischen Fahren verfügen, beziehungsweise mit geringstem Aufwand dafür nachgerüstet werden können. 

Ähnliches gilt für die notwendigen DMS-Erweiterungen zum automatischen Fahren auf dem Depotgelände: Verkehrsbetriebe, die bereits über ein modernes DMS verfügen, sollen dieses mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand um ein AFCS ergänzen können.

Ihr Kontakt

Michael Preusker Innovation Manager, PSI Transcom GmbH

Michael Preusker ist seit 2020 als Innovation Manager bei der PSI Transcom GmbH tätig und verantwortet den Bereich Forschung und Innovation.
Vor seiner Tätigkeit bei der PSI Transcom GmbH war er langjährig als Berater,
zuletzt auch als Leiter des Geschäftsbereichs Verkehrstelematik, bei der VerkehrsConsult Dresden-Berlin GmbH beschäftigt. 

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